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Sinnloser Haustierabschuss Wenn Hunde und Katzen gejagt werden Von Nadine Carstens

Um Wildtiere wie Rehe, Fasane und Hasen zu schützen, dürfen Jäger*innen in vielen Bundesländern immer noch Katzen und Hunde erschießen. Dabei geht von vermeintlich aufsichtslosen Haustieren nur eine geringe Gefahr aus.

Beim Thema Jagd denken die meisten Menschen, dass hierzulande Tiere wie Rehe, Wildschweine oder Wildkaninchen ins Visier der Jäger*innen geraten. Dass sie aber auch Hunde und Katzen erschießen, wissen die wenigsten. Tatsächlich sterben bundesweit schätzungsweise mehrere Zehntausend Katzen und weit über hundert Hunde jedes Jahr auf diese Art und Weise – und das größtenteils legal. Denn in den meisten Bundesländern ist der Abschuss dieser Haustiere laut dort geltender Jagdgesetze unter bestimmten Umständen erlaubt. So dürfen Jäger*innen eine Katze bereits dann töten, wenn sie dem Tier mehr als 2001, in manchen Bundesländern auch 3002 oder 5003Meter vom nächsten bewohnten Gebäude entfernt begegnen.

Das gleiche gilt für Hunde, die ohne ihre Halter*innen beziehungsweise „wildernd“ von Jäger*innen angetroffen werden. Als „wildernd“ gelten unbeaufsichtigte Hunde, die Wildtieren nachstellen, sie reißen oder zu Tode hetzen. „In diesem Fall müssen die Halter*innen beweisen, dass ihr Hund nicht gewildert hat und von ihm keine Gefahr für Wildtiere ausging – im Nachhinein ist es aber kaum möglich, dies zu belegen“, sagt James Brückner, Leiter der Abteilung Wildtiere beim Deutschen Tierschutzbund. „Außerdem hilft das einem erschossenen Tier natürlich nicht mehr.“

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    Uneingeschränkter Abschuss in zahlreichen Bundesländern

    Als Basis für die Jagdgesetze der Bundesländer, die den Abschuss erlauben, dient Paragraf 23 des Bundesjagdgesetzes4. Dieser ermöglicht den „Schutz des Wildes“ vor aufsichtslosen Hunden und Katzen. Einzig im Saarland5 ist der Haustierabschuss bereits seit 2014 grundsätzlich verboten. Einschränkungen bestehen zudem in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen: In Baden-Württemberg6 ist der Haustierabschuss seit 2015 nur unter strengen Voraussetzungen möglich. In Nordrhein-Westfalen7 untersagt das Landesjagdgesetz ebenfalls seit 2015 zumindest den Abschuss von Katzen. Und in Sachsen8 dürfen Jäger*innen „wildernde“ Hunde nur mit vorheriger Genehmigung der Jagdbehörde töten.

    Nur wenige Bundesländer erfassen Zahlen

    Offizielle Zahlen, wie viele Hunde und Katzen bundesweit von Jäger*innen erschossen werden, existieren nicht. Denn noch lange nicht jedes abgeschossene Tier wird gemeldet oder dokumentiert. Lediglich in Hessen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Hamburg und im Saarland gibt es dazu konkretere Angaben in den jeweiligen Jagdstrecken. Allein in diesen fünf Bundesländern wurden zwischen 2007 und 2022 fast 160.000 Katzen und knapp 900 Hunde getötet. Dabei ist wie erwähnt zu beachten, dass in Nordrhein-Westfalen seit 2015 ein Verbot der Tötung von Katzen und im Saarland seit 2014 ein generelles Verbot des Haustierabschusses besteht.

    2007-2022Zahl der erschossenen Haustierein Hessen, NRW, Schleswig-Holstein, Hamburg & Saarland

    Über 160.000 Katzen
    Knapp 900 Hunde
    Hochgerechnet auf ganz Deutschland ist davon auszugehen, dass Jäger*innen jährlich mehrere Zehntausend Katzen und weit über hundert Hunde töten.⁹

    Haustiere sind kaum eine Gefahr für Wildtiere

    Als Grund für die Jagd auf Hunde und Katzen nennen Jäger*innen den Schutz von Wildtieren. Doch in der Realität stellen diese Haustiere nur eine sehr geringe Gefahr dar. „Oft zitieren Jäger*innen wissenschaftliche Studien, die den Einfluss von Katzen auf Kleintiere und Vögel belegen sollen. Viele davon sind jedoch bei näherer Betrachtung entweder wissenschaftlich nicht haltbar oder weisen zumindest grobe Mängel auf“, berichtet Brückner. Es fehle somit an aussagekräftigen Belegen, die einen generellen Abschuss von Katzen rechtfertigen würden.

    Der Einfluss auf Kaninchen, Hasen und anderes sogenanntes Niederwild, wie es im Jagdjargon heißt, wird ohnehin völlig überschätzt – Zahlen dazu sind wissenschaftlich nicht haltbar.
    Portrait von James Brückner vor dem Logo des Deutschen Tierschutzbundes
    James Brückner Leiter der Abteilung Wildtiere beim Deutschen Tierschutzbund

    Auch die Zahl der Vorfälle, in denen Hunde Wildtiere ernsthaft gefährdet haben, sei dem Experten zufolge äußerst gering. Ohnehin seien in solchen Fällen immer die Halter*innen in der Verantwortung.

    Das fordert der Deutsche Tierschutzbund

    Weitaus zielführender als der Haustierabschuss sind aus unserer Sicht unter anderem flächendeckende Kastrationsaktionen von Katzen – eine Maßnahme, die wir bereits seit vielen Jahren fordern. Nur so ist es möglich, die immense Zahl frei lebender Katzen langfristig zu senken. Bei Hunden, die nachweislich Wildtieren hinterherhetzen und diese gefährden, sind aus Tierschutzsicht zunächst mildere Vorkehrungen wie Warnschüsse oder das Einfangen der Hunde angebrachter. In diesem Fall sind ohnehin vor allem die Halter*innen das Problem. „Anstatt die Hunde zu jagen, wären Druckmittel gegen die Tierbesitzer*innen sinnvoller, wenn keine Einsicht besteht – zum Beispiel Sanktionen wie ein Hundehaltungsverbot, wenn es sich um einen Wiederholungsfall handelt“, sagt Brückner. Wir raten unter anderem dazu, dem Ordnungsrecht entsprechend eine zusätzliche Regelung einzuführen, damit die zuständigen Behörden einen Hund, der mehrfach „wildert“, beschlagnahmen können. Kommt es hingegen vor, dass ein Hund oder eine Katze in eine Falle geraten ist, sollten Jäger*innen sie als Fundtiere behandeln und einem Tierschutzverein übergeben, anstatt sie zu töten.

    Was Halter*innen unternehmen können

    • Hunde anleinen. Halten Sie Ihre Hunde im Wald und in Naturschutzgebieten immer an der Leine und nehmen Sie Rücksicht auf die dort lebende Tierwelt.
    • Verletzte Tiere melden. Sollte es tatsächlich vorkommen, dass Ihr Hund entlaufen ist und ein Wildtier verletzt hat, informieren Sie umgehend die zuständigen Jagdpächter*innen oder die Polizei.
    • Katzen registrieren. Lassen Sie Ihre Katze kastrieren, kennzeichnen und bei FINDEFIX, dem Haustierregister des Deutschen Tierschutzbundes, registrieren. So helfen Sie, die Zahl der frei lebenden Katzen langfristig zu verringern. Ebenso wichtig ist eine Kennzeichnung und Registrierung von Hunden, damit sie ihren Halter*innen zugeordnet werden können.
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